Railway Quarter (Banekvarteret) - Insights: Stadtentwicklung in Bahnhofsgegenden - C.F. Møller. Photo: C.F. Møller Architects / Beauty & the Bit
Fjordporten - Insights: Stadtentwicklung in Bahnhofsgegenden - C.F. Møller. Photo: Reiulf Ramstad Arkitekter
26.1.2021

Insights: Stadtentwicklung in Bahnhofsgegenden

Der Hauptbahnhof der Zukunft wird ein effizienter Verkehrsknotenpunkt sein, durch den verschiedenste Verkehrsflüsse reibungslos hindurchströmen. Darüber hinaus muss der Bahnhofsbereich mit öffentlichen, sonnigen Frei- und Grünflächen, die Platz zum Verweilen bieten, auch den Menschen Raum für Begegnung zur Verfügung stellen.
Insights: Stadtentwicklung in Bahnhofsgegenden - C.F. Møller. Photo: MEW

In den vergangenen 50 Jahren sind die Preise für Immobilien rund um Bahnhöfe stetig gestiegen. Häufig lag der Grund darin, dass sich dort internationale Konzerne niederließen. Dies trug dazu bei, dass in den Bahnhofsgegenden immer höher und dichter gebaut wurde, doch C. F. Møller Architects zufolge diente diese Entwicklung ebenso einer Stärkung der innerstädtischen Identität. 

 

„Wachstum in der Innenstadt ist grundsätzlich positiv, doch darf es niemals Wachstum um des bloßen Wachstums willen geben. Aus der Perspektive der Stadtplanung wiederum ist ein zu schnelles Wachstum tückisch, denn wir alle haben bei der Entwicklung der Innenstädte eine gemeinsame Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen. Man darf die Qualität der Stadt nicht aus dem Blick verlieren. Deswegen sind Orte zu entwickeln, die auch in den nächsten hundert Jahren funktionieren und wachsen können“, sagt Michael Kruse, Architekt und Partner bei C. F. Møller Architects.   

 

Da der Hauptbahnhof häufig das Erste ist, was die Besucher einer Stadt wahrnehmen, muss gerade dieser Bereich so entwickelt werden, dass er den Ort symbolisiert und die Identität der Stadt hervorhebt. Der Hauptbahnhof muss eine effiziente Drehscheibe für Fern- und Nahverkehr sein, soll aber auch die Anziehungskraft seiner Umgebung erhöhen. Derzeit sind die Bahnhofsviertel oft unübersichtlich und laden nur begrenzt zum Verweilen ein. Bei ihrer Planung stand meist nur der Verkehr im Mittelpunkt, nicht aber der Mensch und sein Bedarf an Frei- oder Grünflächen.  

Fjordporten, Oslo - Insights: Stadtentwicklung in Bahnhofsgegenden - C.F. Møller. Photo: Reiulf Ramstad Arkitekter

Bahnhofsviertel sind intensiv genutzte Bereiche, und das starke Verkehrsaufkommen ist auch bis in die Nachbarviertel hinein zu vernehmen. Sie leiden darunter, wenn sie weiterhin steigende Passagierzahlen aufnehmen müssen, aber sie leiden auch, wenn die Städte mit neuen Bedürfnissen an sie herantreten. Man muss verstehen, wie ein Bahnhof hinsichtlich der Verkehrsströme funktioniert, und sich damit auseinandersetzen, wie verschlossene Potenziale für eine raumeffizientere Lösung genutzt werden können. Dafür ist auch ein Verständnis dessen nötig, was Reisende von morgen brauchen. Nimmt man dies als Grundlage, so lassen sich Räume errichten, die die Gestaltung der Innenstädte bereichern. Bislang schwierige Verkehrsströme werden dann auf einmal zum Treiber der Entwicklung von sozialem Leben, Wohnen und Gewerbe.  

 

„Wer mit Infrastruktur arbeitet, muss einen holistischen Ansatz verfolgen. Dabei sind zahlreiche Parameter zu berücksichtigen. Infrastruktur kann für das große Ganze funktionieren, sie kann die Erreichbarkeit innerhalb der Stadt verbessern, aber sie kann auch zu einer Segregation führen. Es geht um Orte für Menschen, die auch die Visitenkarte einer Stadt sind“, meint Mårten Leringe, Architekt und Partner bei C. F. Møller Architects.   

Insights: Stadtentwicklung in Bahnhofsgegenden - C.F. Møller. Photo: MEW

Ortsbasierte Identität

Mårten Leringe erläutert, dass eine Möglichkeit zur Schaffung von Identität darin besteht, von der Geschichte des Ortes auszugehen. Als Beispiel nennt er „Fjordporten – Nordic Light“, den Osloer Hauptbahnhof. Hier haben C. F. Møller Architects einen Turm entworfen, der Bezug nimmt auf die kathedralenhaften Ausmaße der alten Bahnhofshalle. Die Treppe des Turmes greift Inspirationen von Topografie und Gebäuden der norwegischen Hauptstadt auf. Errichtet wurde der Turm aus Beton und Hightech-Glas sowie aus Holz, womit er auf die Zeiten anspielt, als dies noch der wichtigste Baustoff in Oslo war. Die Ankunftshalle vereint durch ihre Gestaltung viele Strömungen zu einem Ganzen und trägt damit zur Identität der Stadt bei.     

 

„Ein Bahnhof muss an die Größe der benachbarten Bebauung angepasst werden. Unser Wunsch ist es, die Innenstadt zu kurieren und die Barrieren niederzureißen oder zu überbrücken, die einst durch die Infrastruktur geschaffen wurden“, sagt Mårten Leringe.

 

Als C. F. Møller Architects das Bahnhofsviertel im dänischen Aarhus entwarf, geschah dies ebenfalls mit der Vision, die Innenstadt wieder zu vereinen, die durch die Erweiterung des Bahnhofes im Jahr 1935 zerrissen wurde. Die Überbauung der Gleise am Hauptbahnhof in Aarhus und der von C. F. Møller Architects entwickelte Masterplan erschufen dort einen neuen, nachhaltigen Stadtteil, wo zuvor lediglich Platz für Bahninfrastruktur war.  

 

„Infrastrukturfragen dürfen nicht allein auf technische Lösungen verkürzt werden. Wir wandeln Bahnhofsviertel in nachhaltige und lebendige Quartiere um, in denen die Menschen wohnen, arbeiten und sich begegnen können. Die Bahnhofsbereiche sollten die umgebenden Stadtteile verbinden, nicht trennen. Unser Ausgangspunkt sollten stets die sozialen Werte sein, die an einem Ort entstehen“, sagt Mårten Leringe.  

Lund Central Station  - Insights: Stadtentwicklung in Bahnhofsgegenden - C.F. Møller. Photo: Luxigon

Soziale Werte – grüne, urbane Orte der Begegnung

Das Fahrgastterminal Värtahamnen der Stockholmer Hafengesellschaft ist ein weiteres Beispiel für ein Infrastrukturprojekt, bei dem C. F. Møller Architects den Charakter des Ortes als Treffpunkt in den Mittelpunkt rückten. Natürlich kamen die funktionalen Anforderungen an Fährterminal, Busbahnhof und Umsteigehaltestelle ebenfalls nicht zu kurz.

 

Als der Hafenplatz am Värta-Hafen erweitert werden sollte, um dem von hier verschifften Frachtaufkommen zu entsprechen, legten C. F. Møller Architects bei dem Auftrag den Fokus auf die langfristige Entwicklung des Hafens und der unmittelbaren Umgebung.

 

„Wir zogen auf jeden Fall die Stadtentwicklung des gesamten Gebietes in Betracht. Damit wollten wir den Hafenbedarf aufnehmen, aber auch schauen, wie sich der Flächenbedarf der Stadt für Wohnen und Handel umsetzen lässt. So schufen wir den neuen Treffpunkt auf dem Dach von Värtahamnen. Das Dach dient als direkte Anknüpfung an den neuen Stadtteil und wird als Park mit Pflanzen, Wegen und Bänke ausgestaltet“, erläutert Mårten Leringe. 

 

In der südschwedischen Universitätsstadt Lund heben C. F. Møller Architects vor allem das Potenzial hervor, das der Hauptbahnhof als zentraler Ort der Begegnung hat, ohne dabei die Funktion aus den Augen zu verlieren, für die Stadt und ihre Umgebung auch als funktioneller Verkehrsknotenpunkt zu dienen. Beim Bau des neuen Bahnhofes ließ man sich von der Lunder Bautradition inspirieren. Für die Aufgabe als innerstädtischer Treffpunkt wurde unter dem Dach ein großzügiger Aufenthaltsbereich eingerichtet. Eine breite Brücke über die Gleise verbindet die östlichen und westlichen Teile der Stadt.  

 

Ein wichtiger sozialer Aspekt ist laut Mårten Leringe, dass der Ort übersichtlich ist. Das Sicherheitsgefühl wird erhöht; und dieser Aspekt spielt besonders im Bahnhofsbereich eine große Rolle, wo viele Menschenströme aufeinandertreffen. Wichtig ist es auch, die Räume aktiv zu gestalten. 

 

„Natürlich sind auch ruhigere Aufenthaltsorte von Bedeutung. Doch diese müssen ebenfalls Sicherheit ausstrahlen“, sagt Mårten Leringe.

Bahnviertel - Insights: Stadtentwicklung in Bahnhofsgegenden - C.F. Møller. Photo: Erik Nord Arkitekter

Lange Lebensdauer und Holz

Das Bahnhofsviertel soll einer der nachhaltigsten Stadtteile der Welt werden. Die Gegend um den Hauptbahnhof von Aarhus herum hat C. F. Møller Architects vollständig autofrei geplant. So soll die bisherige gleisbedingte Trennung zwischen dem Stadtteil Frederiksbjerg und der Innenstadt aufgehoben werden. Der Masterplan umfasst auch klimafreundliche Baustoffe und klimaneutrale Gebäude aus leichten Materialien wie Holz, wie sie C. F. Møller Architects grundsätzlich bevorzugen.  

 

„In unserer Zeit gibt es sowieso eine große Verschwendung, und die Stadtentwicklung wird oftmals durch Profitdenken bestimmt. In allem, was wir unternehmen, nehmen wir Einfluss auf die Natur und das menschliche Wohlbefinden. Deshalb muss sich die Architektur als Rahmen der Gesellschaft für langfristig angelegte Qualität einsetzen. So wird nachhaltige Stadtentwicklung in direktem Anschluss an öffentliche Verkehrsträger zu einer naheliegenden Lösung dafür, wie sich mit dem weltweiten Trend der Verstädterung umgehen lässt“, meint Michael Kruse.   

 

Railway Quarter, Aarhus
Aviapolis Core, Finland
Fjordporten, Oslo
Värtaterminalen Ferry Terminal, Stockholm
Lund Central station

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